Über Möglichkeiten von Monitoring und Grenzen von Twitter
Mit Wissen gegen Hass – dieses Motto leitet die Arbeit der BAG »Gegen Hass im Netz« und war Thema des ersten Jahrestreffens am 15. Dezember 2022 in Berlin. Vertreter*innen des Zivilgesellschaftlichen Forums und des Wissenschaftlichen Beirats reflektierten gemeinsam mit dem Team, was bisher passiert ist, und planten, was kommt.
»Was ist jetzt schon wieder los bei Twitter«, war wohl eine der häufigsten Fragen, zu der sich die Teilnehmenden aus Forschung und Zivilgesellschaft beim Jahrestreffen der Bundesarbeitsgemeinschaft »Gegen Hass im Netz« ausgetauscht haben. Doch neben der Twitter-Übernahme und den möglichen Folgen für Wissenschaft und Praxis gab es noch einiges mehr zu besprechen.
Verzahnung von Zivilgesellschaft und Forschung
Nachdem die BAG im Sommer gelauncht und im Herbst die Pilotausgabe des Trendreports Machine Against the Rage veröffentlicht wurde, kamen zum Jahresende erstmals alle Beteiligten aus Forschung und Zivilgesellschaft vor Ort in Berlin zusammen. Die Grundlagen wurden in den vergangenen Monaten gelegt: Ein Wissenschaftlicher Beirat wurde gegründet, das Zivilgesellschaftliche Forum hat sich zusammengefunden und die Infrastruktur für die Datenerhebung zu Hass im Netz ist entstanden. Zudem werden drei Praxispartner*innen aus der Zivilgesellschaft in sogenannten Use-Cases zukünftig direkt mit wissenschaftlichen Daten versorgt und bei der Umsetzung ihrer Projekte begleitet. Denn um Hass im Netz noch besser zu begegnen, braucht es eine enge Verzahnung von Zivilgesellschaft und Forschung.
Online-Offline-Nexus
Neben diesem Rück- und Ausblick zu den Aktivitäten der BAG »Gegen Hass im Netz« haben sich die Teilnehmenden in verschiedenen Workshops über aktuelle Herausforderungen ausgetauscht. So wurde darüber diskutiert, welche Strategien beim Online-Monitoring helfen, den digitalen Datenwust in evidenzbasierte Ergebnisse zu überführen. Auch wurde besprochen, wo die Möglichkeiten und Grenzen eines phänomenübergreifenden Monitorings liegen. Wie werden die unterschiedlichen Phänomene von Hass im Netz bisher erfasst und inwiefern unterscheiden diese sich? Zuletzt wurde mit dem Online-Offline-Nexus einer der kommenden Themenschwerpunkte des Trendreports bearbeitet. Wie hängen Online-Aufrufe und Offline-Handeln zusammen? Und wie können Proteste auf der Straße in die Ergebnisse des Monitorings einbezogen werden?
Politik hat ein Durchsetzungsproblem
Zurück zu den aktuellen Entwicklungen bei Twitter, die auf der Panel-Diskussion thematisiert wurden. Ist es politisch überhaupt noch zu rechtfertigen, die Plattform zu nutzen? Dazu stellte Dr. Amélie Heldt, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat, zunächst fest, dass politisch interessierte Menschen da sind, wo Öffentlichkeit passiert und Debatten geführt werden. Auch Holger Marcks, Co-Leiter der Forschungsstelle, konstatierte, dass die vorausgesagte Twitter-Apokalypse erst mal ausgeblieben ist. Mit Bezug auf alternative Plattformen wurde die Frage aufgeworfen, was man sich von diesen erhofft: Wünscht man sich die Vorzüge dezentraler Plattformen wie Mastodon oder einfach ein Twitter ohne Elon Musk? Hierzu wendete Nava Zarabian von der Bildungsstätte Anne Frank und Mitglied des Zivilgesellschaftlichen Forums ein, dass Twitter eine sehr wichtige Rolle für marginalisierte Gruppen, aktuell insbesondere die Proteste im Iran spielt und ein Rückzug von der Plattform nur in einer privilegierte Lage möglich ist: Wenn Twitter morgen abschaltet wird, was machen dann die Protestierenden im Iran? Ein weiterer Aspekt wurde in der Diskussion deutlich: Der Erfolg des in der EU neu eingeführten Digital Services Act wird sich daran messen lassen müssen, ob er auch durchgesetzt wird. Nur wenn die Behörden richtig geschult und ausgestattet werden, können sie die Gesetze auch anwenden und Nutzer*innen umfassender schützen.
Die Entwicklungen bei Twitter werden auch im nächsten Trendreport der BAG »Gegen Hass im Netz« analysiert, der Mitte Januar 2023 erscheinen wird.